Heimatland! – Kanton Appenzell Innerrhoden

Appenzeller Käse, Biberli, Mietautos und Marco Fritsche – viel mehr war uns beiden über den Kanton Appenzell Innerrhoden nicht bekannt. Auch hatten wir vorher noch nie einen Fuss in selbigen gesetzt. Zeit, dies zu ändern!

Die Reise startete gestern Morgen in Schlieren bei Zürich, wo wir am Freitag Abend bei Dorians Onkel zum Essen eingeladen waren und auch gleich übernachteten.

In voller Wandermontur fuhren wir mit dem Zug via Zürich und Gossau nach Weissbad und schliesslich mit dem Postauto nach Brülisau.

Wir begannen unsere Wanderung am Fuss des Hohen Kastens. Bei strahlendem Sonnenschein ging es an der Seilbahn zur Alp Sigel vorbei und in den schattigen und steilen Brüeltobel hinein.

Rein in den Tobel

Hoch durch den Tobel

Fast ganz oben steht das Hexenwäldli, eine kleine Ansammlung von Zwergtannen, die wie kleine Kinder zusammenstehen. Dazu las ich Dorian eine Sage vor, welche ich zuvor aus dem Gääser Dialekt ins Berndeutsche übertragen hatte.

Sie handelt von einer Hebamme, welche einmal vor vielen Jahren zum Zwergenvolk im Brüeltobel gerufen wurde und half, das Kind des Zwergenkönigs auf die Welt zu bringen. Dieser war so dankbar, dass er der Hebamme den Schurz mit Gold und Edelsteinen füllte, sie jedoch ermahnte, das Bündel ja erst daheim auszupacken!

Die Hebamme war jedoch zu neugierig und ungeduldig und lupfte bereits unterwegs einen Schurzzipfel. Wie gross war ihre Enttäuschung, als sie sah, dass darin nichts als trockenes Buchenlaub zum Vorschein kam! In ihrer Wut schüttelte sie den ganzen Inhalt an Ort und Stelle aus und stapfte nach hause, wo sie ihrem Mann die ganze Misere erzählte.

Dieser schaute sich den Schurz genauer an und fand einige wenige Goldstückchen darin. Wie der Blitz rannte die Hebamme zurück in den Tobel und an die Stelle, wo sie zuvor ihren Schurz ausgeschüttet hatte. Finden konnte sie jedoch nichts mehr.

Ihr Mann trommelte daraufhin einige Dorfbewohner zusammen, welche sich zum Zwergenvolk aufmachten und den König und seine Leute zur Rechenschaft ziehen wollten. Als einige Männer in die Zwergenhöhle eindringen und den Schatz plündern wollten, stürzte die Felswand ein. Die Männer wurden unter dem Schutt und Geröll begraben.

Die restlichen Dorfbewohner wurden vom König wüst beschimpft. Aus Angst kehrten sie zurück ins Dorf.

Dort jedoch, wo die wüsten Worte des Königs hingefallen waren, wuchs von da an keine Tanne mehr richtig. Nachts kamen Hexen, welche auf den Tannenschösslingen herumtrampelten und diese so am wachsen hinderten.

Bis heute sind die Zwerge nicht in den Brüeltobel zurückgekehrt und bis heute heisst der kleine Flecken Erde eben „Hexenwäldli“.

Nach der kurzen Märchenstunde erreichten wir bald das Berghaus Plattenbödeli beim Sämtisersee. Hier erwarteten uns viel Sonne, feiner Apfelwein und die wohl knusprigste Rösti, die wir beide jemals gegessen hatten.

Plattenbödelipanorama

Sprachkurs beim Mittagessen

Dessert à la région

Nach dieser Stärkung wanderten wir weiter über die Alp Soll zum Gasthaus Ruhesitz, wo wir unser Nachtlager bezogen. Wir wohnten in einem wunderschön renovierten Zimmer mit Blick über das Appenzellerland, in welchem es herrlich nach Holz roch – den feurigen Sonnenuntergang gab es gratis dazu!

Alpsteinpanorama

Sonnenselfie

Der Frühling kommt!

Der Frühling ist schon da!

Alp Soll-Panorama

Feuerhimmelpanorama

Nach einem feinen und sehr reichhaltigen Käsefondue fielen wir bald in eine tiefen Schlaf und träumten von hohen Bergen und kleinen Zwergen.

Mmmmmhhhhh…

Die Nacht war stürmisch und der heutige Morgen war entsprechend grau bewölkt und regnerisch. Nach dem Frühstück ging es steil bergab zurück nach Brülisau. Eigentlich wollten wir diesen Weg mit dem Schlitten hinuntersausen – Schnee ist aber gerade nicht wirklich vorhanden…

Was vom Schlittenweg übrig war… Im Hintergrund der Hohe Kasten

Auf dem Heimweg machten wir Halt in Appenzell selbst, dem Hauptort des Kantons. Das Dorf ist wirklich sehr schön mit seinen verwinkelten kleinen Gassen und den vielen prächtigen Fassaden.

Appenzeller Fassadenkunst

Scheinbar war gestern jedoch Fasnacht und so war man überall mit aufräumen beschäftigt und viele Gassen und Durchgänge waren gesperrt. Wir blieben daher nicht allzu lange und machten uns bald auf die weitere, fast dreieinhalbstündige Heimreise.

Der kleine Kanton hat uns wiederum ausserordentlich gut gefallen – er hat sich zumindest gestern auch von seiner besten Seite gezeigt! Wäre er nicht so weit weg, wären wir wohl schon bald wieder da.

So aber geht unsere Reise am 28./29. März im Kanton Glarus weiter.

Heimatland! – Kanton Zürich

Zürcher sind laut, geschwätzig, immer pressiert, angeberisch, fahren unnötig grosse Autos und halten Zürich ganz allgemein für nichts weniger als den Nabel der Welt. Soweit die klassischen Berner Vorurteile, nun zum Tatsachenbericht:

Gestern Morgen fuhren wir los in Richtung besagtem Zürich, umfuhren die Stadt in Richtung Chur und verliessen die Autobahn in Pfäffikon (Kanton Schwyz). Wir überquerten den Seedamm nach Rapperswil und gelangten schliesslich in ein kleines Industriegebiet in Pfäffikon (Kanton Zürich).

Hier befindet sich auf knapp 80m2 das grösste Schreibmaschinenmuseum der Schweiz. Geführt wird es vom Liechtensteiner Stefan Beck, einem der leidenschaftlichsten Sammler, denen ich je begegnet bin. Erinnert sich jemand an den leicht schrulligen Kurt Beck in Uhrenmuseum in Vaduz? Es erstaunte uns nicht gross, dass die beiden wohl ganz weit aussen miteinander verwandt sind – da passt einiges zusammen!

Stefan Beck der Schreibmaschinensammler ist ein älterer Herr, nicht mehr ganz so gut zu Fuss, der uns beiden auf seinen Gehstock gestützt eine Führung durch sein Museum gab. Es gibt wohl nichts, was er über Schreib-, Rechen- oder Chiffriermaschinen nicht weiss. Man sieht Schreibmaschinen mit lateinischer, arabischer, chinesischer und Blindenschrift, Chiffriergeräte aus Kriegszeiten, die kleinste Rechenmaschine der Welt (die zufälligerweise aus Liechtenstein kommt) und vieles anderes, das früher das Herz einer Sekretärin höher schlagen liess.

Zudem ist Herr Beck ein überaus sympathischer Mann, der sich sehr viel Zeit genommen hat und die Anekdoten mit Witz und leuchtenden Augen zum Besten gegeben hat – eine wahrhaft grossartige erste Station auf unserer Reise!

Schreibmaschine, Malling Hansen, Dänemark, 1867


Chiffriermaschine, Sphinx, BRD, ca. 1910


Schreibmaschine, Sholes & Glidden, USA, 1876 – dies war das erste Gerät mit der heute bekannten Anordnung der Buchstaben. Es war anscheinend so schwer zu bedienen, dass die Firma Sholes & Glidden anfing, junge Frauen auszubilden und diese mitsamt den Maschinen an die Käuferfirmen zu verkaufen – et voilà: der Beruf der Sekretärin war geboren!


Weiter ging unsere Fahrt nach Dübendorf und kurz dahinter Hügel aufwärts zur Burgruine Dübelstein. Hier wohnten im 13. und 14. Jahrhundert die Herren von Dübendorf. 1611 brannte die Burg ab. Die Grundmauern wurden wieder aufgebaut und es gibt eine schöne Aussicht (zumindest im Winter, wenn die Bäume ringsum keine Blätter tragen) – das war’s aber auch schon und so war unser Besuch nur ein ganz kurzer.

Was von der Burg Dübelstein übrig ist, plus ein paar Kinder mit Hund


Wir fuhren weiter nach Bassersdorf, wo wir ein Zimmer im Gasthof Löwen bezogen und im Steakhouse 8303 viel Fleisch vom heissen Stein assen – eine kulinarische Freude vom Feinsten!

Nach einer bequemen aber eher unruhigen Nacht (wir sind beide ein wenig erkältet) gab’s heute Morgen unter anderem wunderbar knuspriges und noch warmes Brot zum Frühstück. Dabei entdeckten wir auch folgenden pelzigen Zeitgenossen:
Ein Arzt aus Sihlbrugg kaufte den noch jungen Löwen, der in seiner Heimat zuwenig Milch bekam, im Tschad für eine Packung Zigaretten. Für die Ausfuhrbewilligung brauchte es Whisky, in der Schweiz mussten CHF 2.20 bezahlt werden, um das Tier einzuführen. Er wurde Asum getauft, wuchs zu einem stolzen Tier heran, bekam aus einem tschechischen Zoo einen Freund namens Melaku zur Seite gestellt und gedieh prächtig. Kurz nach Melakus Tod wegen einer Infektion, die durch Schrotkugeln unbekannten Ursprungs ausgelöst wurde, starb auch Asum aus Kummer. Als ausgestopfter Löwe landete er schliesslich im Gasthof Löwen in Bassersdorf, wo ihm morgens nun die Sonne ins Gesicht scheint.

Wir packten unsere Sachen zusammen und fuhren über kleine Strässchen durch das sonnige Zürcherland. In der nähe von Winterthur, mitten im Wald befindet sich der Wildpark Bruderhaus – einer der ältesten Wildparks der Schweiz.

Der Ort hat eine lange und bewegte Geschichte: zunächst befand sich hier wohl eine Einsiedelei, aus welcher später ein Kloster – ein sogenanntes Bruderhaus – entstand. Es ging jedoch wohl nicht immer nur gottgläubig zu und her: 1521 wurde im Bruderhaus eine „bedenkliche Entartung“ entdeckt und ein Bruder auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1530 wurde das Kloster im Zuge der Reformation aufgelöst.

Seit 1890 zogen hier nach und nach Damhirsche, Sikahirsche, eine Murmeltierkolonie, Luchse, Wildschweine, Wölfe, Mufflons, Wisente, Pferde und allerlei Vögel und Fuchs und Hase ein. Letztere sagen sich gerüchtehalber auch ab und zu gute Nacht… Ein sehr friedlicher Flecken Erde und gerade am frühen Sonntag morgen sehr, sehr ruhig. Wir sassen lange in einem Ausguck und schauten und horchten in den Wald hinein. Gesehen habe wir ausser einem undefinierbaren Schatten nichts und wir hörten nichts ausser das Rascheln im Laub und das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln.

Sikahirsch kurz vor dem Umdrehen


Wisente


Die Mufflons zeigten sich leider nur aus der Ferne oder auf den Erklärtafeln


Der Luchs tat es den Mufflons gleich


Dafür waren die Wildschweine neugierig


Weiter ging unsere Fahrt den waldigen Hügel hinunter und den nächsten waldigen Hügel wieder hoch nach Kyburg. Das kleine Dörfchen ist sehr herzig und erinnerte mich ein bisschen an meine Kindheit in einem kleinen Baselbieter Dorf, welches ebenfalls auf einem Hügel liegt und eine wunderbare Aussicht bietet. Kyburg hat dafür ein noch intaktes grosses Schloss, welches im Winter jedoch geschlossen ist.

Schloss Kyburg


Panorama à la Kyburg


Im Hinblick auf unsere nicht ganz intakte Gesundheit entschieden wir uns, die Heimfahrt in Angriff zu nehmen und fuhren noch ein wenig über Land; an Kloten und dem Flughafen vorbei im lustigen von Google Maps vorgegebenen Zickzack in Richtung Westen und kurz vor Lenzburg schliesslich wieder auf die Autobahn und nach hause.

Hier ruhen wir nun aus, trinken Tee und inhalieren und finden, dass auch der Kanton Zürich sehr, sehr schöne Ecken hat. Und abgesehen von einem einzigen Restaurantgast gestern Abend haben wir ausnahmslos angenehme Zeitgenossen angetroffen. Manche davon hatten sogar kleine Autos.

Weiter geht die Reise am 22./23. Februar im Kanton Appenzell Innerrhoden.