Runterkommen auf Schwedisch

Wie angekündigt haben wir ein paar ruhige Tage in Domsten verbracht: ausgiebig ausschlafen, ebenso ausgiebig frühstücken, lesen, spazieren, baden, schwedische Katzen kraulen und hier und da jemandem ein freundliches „Hej!“ entgegenrufen.

Am Mittag verpflegten wir uns im einzigen ‚Restaurant‘ im Ort: Christian’s Fiskebod. Es ist genau das, wonach es klingt: eine Fischbude mit fangfrischen Leckereien aus dem Meer ein paar Meter weiter vorne. Währen Dorian sich quer durch das panierte Fischsortiment probierte, hatte ich meinen Favoriten bald gefunden: Baked Potatos mit Shrimpsalat – herrlich dillig und wahnsinnig fein!

Mmmmmhhhhh…

Am Abend kochten wir meistens selbst. Schwedische Supermärkte sind für mich eine echte Offenbarung: in jedem davon gibt es nämlich – je nach Grösse – mindestens ein Gestell mit ausschliesslich glutenfreien Produkten. Die Tablare sind vollgepackt mit ’sauberer‘ Pasta, Brot, Müeslimischungen, Mehl, Süssgebäck und und und… Man muss hier also nicht vor dem Brotgestell alle Zusammensetzungen lesen, nur um dann doch nichts zu finden. Man sucht einfach dieses eine Gestell und kann mit freiem Gewissen mit shoppen loslegen. Als wär’s selbstverständlich. Warum nicht überall so?

Die Abende verbrachten wir mit langen Spaziergängen am Meer, beobachteten unzählige Vögel, davonhoppelnde wilde Hasen und winzig kleine Frösche, schlossen Freundschaften mit einigen schwedischen Katzen, lauschten dem Meer, beobachteten die riesigen Schiffe im Öresund und sahen zu, wie die Sonne Abend für Abend in den spektakulärsten Farben im Meer versank.

Steg ins nasse Glück
Grosses Schiff im kleinen Öresund
Himmlische Endlosigkeit

Danach gab es ein Glas Wein oder Gin Tonic auf unserer kleinen Terrasse. Dazu philosophierten wir, lasen oder spielten ein paar Runden Mikado, bis es dafür zu dunkel wurde.

Auf die harte Tour mussten wir lernen, dass die Nase eines parkierten Autos in Schweden nicht in die falsche Richtung schauen darf: wer sein Auto am Strassenrand entgegen der Fahrtrichtung abstellt, muss ein Bussgeld von SKR 1000 (umgerechnet ca. CHF 100) bezahlen. Und nein, es war keine Einbahnstrasse. Eine gar nicht mal sooo lohnende Sache…

Strassenschild für zwischendurch

Gestern schlug das Wetter dann um: nach einer Woche strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 30 Grad zogen nun dunstige Wolken auf, die Luftfeuchtigkeit stieg ins unermessliche und schliesslich entlud sich die angestaute Hitze in einem Sommergewitter.

Wir nutzten den Tag für einen Ausflug nach Halmstad. Der südliche Teil von Schweden gehörte bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zu Dänemark. Das Schloss und die Befestigungsanlagen der Stadt wurden denn auch unter dem dänischen König Christian IV. gebaut. Selbiger liess ein paar Jahre später das Kriegsschiff Store Sophia bauen, während in Schweden bereits an der Vasa gewerkelt wurde. Der schwedische König baute letztere daraufhin so unglücklich aus, dass sie auf ihrer Jungfernfahrt aufgrund schwerer Konstruktionsfehler bereits nach 20 Minuten noch im Stockholmer Hafen sank. Mehr dazu gibt es hier zu lesen.

Abgesehen von seinen Baukünsten war Christian IV. jedoch auch kein wahnsinnig erfolgreicher König und kurz nach seiner Amtszeit und nach einigen Kriegen zwischen den beiden Ländern verlor Dänemark die südlichen Regionen des heutigen Schweden endgültig an das andere Königreich.

Halmstad ist eine herzige Stadt mit weiten Plätzen, engen Gässchen, viel Grün und viel Wasser. Wir schlugen uns an einem asiatischen All-you-can-eat-Buffet die Bäuche voll, warteten bis der nächste Regenguss vorbei war und spazierten durch den Hafen und rund ums Schloss. Im Schloss befindet sich heute der Regierungssitz der Region Halland; es kann daher nicht besichtigt werden.

Schöne Kirche für zwischendurch
Schönes Schiff für zwischendurch

Gestern Abend packten wir wieder unsere Sachen, hüpften nochmal ins Meer, bereiteten einen letzten Crevettensalat zu und nahmen spazierend Abschied vom Strand. Heute in aller Früh luden wir unser Auto voll, fuhren der Küste entlang südwärts, nochmal über die Öresundbrücke, rauschten an Kopenhagen vorbei, verluden in Rødby auf die Fähre nach Puttgarden und rasen nun bereits wieder durch Deutschland hinunter in Richtung Schweiz.

Bald wechseln wir auf die Hauptstrasse und nehmen’s nochmal gemütlicher. Wir haben noch etwas Zeit…

Ab in den Norden!

Schritt für Schritt – oder besser gesagt Radumdrehung um Radumdrehung – sind wir seit Samstag immer weiter in Richtung Norden gefahren.

Zunächst ins deutsche Worms, welches auf eine gut 2000-jährige Stadtgeschichte zurückblickt und umgeben ist von einem schier endlosen Weinrebenmeer, wo die Nibelungensage zuhause ist und wo wilde Brückentor-Gebilde in der Gegend rumstehen:

Nibelungenturm auf der Nibelungenbrücke über den Rhein

Am Sonntag kommt man sogar auf der deutschen Autobahn gut voran: fast kein Schwerverkehr, wenig Gedränge und nur vereinzelt bleifüssige Verkehrsteilnehmende.

Wir verliessen die rollende Blechraupe kurz nach Hannover – in einem Ort mit dem wohlklingenden Namen ‚Grossburgwedel‘ – zugunsten der Landstrasse. In einem ruhigen Waldstück machten wir Pause, lauschten dem Rauschen des Windes in den Blättern und dem Zwitschern der Vögel und halfen einem verirrten Käfer über die Strasse.

Eingelullt von diesem friedlichen Ort setzten wir unsere Reise fort und sahen als nächstes dies:

Der Ort des unvorstellbaren Grauens vergangener Tage ist heute ein weitläufiger Park. Es ist still dort. Die Wege sind gesäumt von Massengrabhügeln, wo tausende Opfer begraben liegen. Die grünen Felder sind gespickt mit Gedenksteinen. Der bekannteste Name: Anne Frank. Dem strahlenden Sonnenschein, den üppig blühenden Wiesen und den zwitschernden Vögeln zum Trotz: dieser Ort strahlt so unsäglich viel Elend aus.

Es fiel uns schwer, wieder aus dieser Stimmung zu kommen. Man muss sich schon sehr stark bewusst machen, welch ein Glück wir haben, unsere Entscheidungen selber treffen zu können und unser Leben selber zu gestalten – und dies unabhängig von unserer Herkunft, unserem Aussehen oder unseren Gesinnungen.

Am Sonntag Abend trafen wir bei unserem alten Freund Micha am nördlichen Rand der Lüneburger Heide ein. Die Wiedersehensfreude war gross und nach mehr als zwei Jahren hatten wir uns viel zu erzählen.

Micha schafft hier sein eigenes kleines Paradies: ein für die Gegend typischer Backsteinbau wird Schritt für Schritt mit viel Liebe zum kreativen Detail in Eigenregie umgebaut. Rundum wächst ein wilder Garten. Micha drückte uns je einen Gin Tonic in die Hand und ich schaukelte in den Sonnenuntergang hinein:

Am Montag fuhren wir an Hamburg vorbei, bestaunten aus der Ferne die riesigen Hafenanlagen, rollten weiter nach Fehmarn und verluden unser Auto in Puttgarden auf die Fähre nach Dänemark.

Rein in den Schiffsbauch
Nächster Halt: Rødby, Dänemark

Etwas südlich von Kopenhagen, in Høyerup, übernachteten wir in einem sehr herzigen Bed & Breakfast mit zwei sehr freundlichen und zutraulichen Katzen, welche sich von uns ausgiebig kraulen liessen.

Am Abend spazierten wir zu den Stevns Klint, einigen steilen Klippen. Eine durchaus spektakuläre Angelegenheit!

Stevns Klint mit Kirche
Die Kirche mit Balkon direkt über den Klippen
Uraltes Fischerhaus

Im benachbarten Rødvig fanden wir Abendessen und spielten danach ein paar Runden Cornhole: bei diesem Wurfspiel erhält jeder Spieler vier kleine Bohnensäckchen, welche er mit einem möglichst geschickten Wurf in einem ein paar Schritte enfernten Loch versenken muss. Wir waren beide erstaunlich talentiert und konnten fast nicht mehr aufhören.

Gestern fuhren wir bis zum Flughafen Kopenhagen. Wir parkierten unser Auto, stiegen in einen Zug und fuhren in die Stadt. Dort suchten wir den Legoladen und bastelten uns kleine Figürchen, shoppten noch etwas durch die Stadt, gönnten uns beim berühmten Tivolipark ein japanisch-dänisches, göttlich feines Mittagessen und verliessen die Stadt wieder auf demselben Weg.

Nicht nur für Fans
Sortiert nach Farben, bezahlt nach Gewicht
Dies ist kein Plakat – die Zwei sind echt
Mittagessen mit Aussicht

Danach folgte mein bisheriges persönliches Highlight: die Fahrt über die Öresundbrücke. Man fährt in Dänemark in einen Tunnel und kommt auf einer Insel im Meer wieder raus, um danach quer über das offene Wasser zu fahren und kurze Zeit später in Malmö auf schwedischen Boden zu gelangen. Die spektakuläre Schrägseilbrücke ist mit fast 8 Kilometern die längste ihrer Art weltweit.

Irgendwo da hinten liegt Dänemark

Nach einer kurzen Fahrt durch Skåne – die Region ganz im Süden Schwedens – folgte etwas, dass wir bis vor ein paar Wochen so noch nicht erwartet hätten: Schwedischer Wein.

In Arild, einem kleinen Dörfchen am Meer, liegt der Arilds Vingård, wo Annette und Jonas Ivarsson seit 2007 Wein produzieren. Angefangen haben sie mit einer Hektare und nach eigener Aussage ohne Plan. Heute ist das Unternehmen mit 30 Hektaren das grösste Weingut Schwedens und beherbergt zudem Gäste in sehr gemütlichen Zimmern und bietet im Restaurant neben eigenem Wein auch wunderbares Essen an. Wir fühlten uns ein wenig wie Gott in Frankreich, nur ist’s hier halt weniger heiss.

Schwedisches Fässermeer
Schwedisches Rebenmeer
Schwedisches Rebenmeer mit bitzeli Kitsch
Wo man wunderbar schlafen kann

Heute spazierten wir zum Meer, beobachteten aus sicherer Distanz ein paar Quallen im Wasser, gönnten uns ein Eis und fuhren wieder weiter. Oder besser gesagt ein Stück zurück. In Domsten wohnen wir für die nächsten Tage in einem winzigen Appartment zwei Fussminuten vom Strand.

Bevor wir jedoch hier eincheckten bogen wir beim Wegweiser zum Kullaberg Vingård spontan links ab. Dieses Weingut ist mit 14 Hektaren deutlich kleiner. Wir wurden von Marie, einer jungen Sommelière aus Lausanne fast überschwänglich begrüsst. Wir parlierten in französisch, bekamen ein kleines, feines Mittagessen, ein Glas Wein und schliesslich – ebenfalls von Marie – eine Führung durch die Reben. Die anderen in der Gruppe waren alle aus Schweden und die Führung fand wiederum in Englisch statt. Die allermeisten Schweden sprechen diese Sprache zum Glück sehr gut!

Nach der Führung gab es eine Weindegustation unter kompetenter Anleitung von Marie – der ungeplante Abstecher war eine wunderbare Idee!

Die Zukunft

Nach einem Besuch im Supermarkt bezogen wir unser neues Nest, ich schlief kurzum ein und nach einer grossen Portion Pasta zum Abendessen wurden wir beim Verdauungsspaziergang reich mit tollen Aussichten belohnt:

Und zum Schluss noch dies:

Neben dem Menschenstrand das Hundebad

In diesem Sinne: auf weitere schöne Tage, gutes Essen, feinen Wein und viel frische Meerluft!