In den letzten Wochen plätschert unser neues Leben gemütlich vor sich hin: Dorian arbeitet bei Wind und Wetter mit seinen neuen Kollegen in den Reben, während ich daheim zum rechten schaue.
Ganz im Sinne einer guten Hausfrau halte ich die Wohnung sauber, kämpfe mich durch den Schnee zur Waschmaschine und schaue, dass pünktlich um 12 Uhr das Mittagessen auf dem Tisch steht.
Daneben arbeite ich daran, den in der Schweiz angefangenen Riesenschal fertigzustricken und entdecke weiterhin zu Fuss die Umgebung.
Das Wetter ändert derzeit jeden Tag: nach der eisigen Kälte taute es kurz, schneite uns dann wieder ein und gefror erneut. Dann kam der Regen und mit ihm sehr viel Wind, die eingeschneiten Felder verwandelten sich in kleine Seen und unter den Schuhen knirschen statt Schnee nun nur noch die ausgestreuten Kieselsteinchen. Ein Hauch von Frühling liegt in der Luft.
Auf einer dieser luftigen Touren begegnete ich letzten Dienstag Bodil und Bill. Nachdem wir im Vorbeigang das übliche ‚Hejhej!‘ ausgetauscht hatten und ich schon weiter marschieren wollte, rief Bill fröhlich, wie kalt es doch am Morgen noch gewesen und wie schön warm der Tag nun geworden sei. Ich nickte und sagte zustimmend ‚Ja ja!‘. Mehr schwedische Worte fielen mir auf die Schnelle nicht ein. Bill gab jedoch nicht auf und zeigte auf den Mond, der bereits sichtbar am Himmel hing und liess weitere verwindete schwedische Worte auf mich los. ‚Ja ja!‘, sagte ich wieder zustimmend.
Die beiden guckten mich etwas irritiert an und ich erklärte in schwedisch, dass es manchmal etwas komisch sei, mit mir in dieser Sprache zu sprechen: ich verstünde zwar viel, aber meist würde mir auf die Schnelle nichts Schlaues als Antwort einfallen und ich wirke daher oft etwas einsilbig, was ich eigentlich gar nicht sei.
Die beiden lachten und ich erklärte, dass ich deutsch und englisch könne, worauf sich herausstellte, dass Bill gebürtiger Amerikaner ist und sowohl Bodil wie auch er ausgezeichnet englisch können. Dabei lief meine Nase – ich hatte wie üblich kein Taschentuch dabei – und Bodil kramte kurzerhand ein solches hervor und hielt es mir hin. Sie erklärten mir, wo sie wohnen und dass sie pensioniert seien und gerne redeten und luden mich zu einer Fika ein.
Fika bedeutet Pause und ist wohl eines der wichtigsten schwedischen Wörter. In einer Fika setzt man sich hin, trinkt Kaffee oder Tee und isst Kuchen (Kaka) oder Zimtschnecken (Kanelbullar). Fika ist eine Institution: wenn jemand zur Fika ruft, dann kommt man dem Ruf nach – alles andere kann warten.
Ich freute mich riesig über die Einladung – zumal solche Spontanität hier oben eher selten anzutreffen ist! Und so trabte ich gestern Nachmittag mit ein paar Cailler-Schoggistängeli als kleine Aufmerksamkeit ins Nachbardorf Brunnby und verbrachte den Nachmittag bei Tee und Kaka mit Bodil und Bill.
Bill hatte mich vorab bereits informiert: Bodil leidet unter Alzheimer. Sie hat ein ausserordentlich freundliches Wesen und unterhält sich sehr interessiert und aufmerksam mit einem. Sie war mal Lehrerin für schwedisch, englisch und deutsch und spricht nach wie vor alle drei Sprachen akzentfrei. Sie stellt die gleichen Fragen immer wieder auf so charmante Weise, dass man sie immer wieder auf’s Neue beantwortet, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Bodil und Bill sind weit gereist und haben in den USA, in Frankreich, Deutschland und Schweden gelebt und die beiden haben mir viele Anekdoten erzählt. Den ganzen Nachmittag haben wir schwedisch gesprochen. Bodil – ganz im Sinne ihres ehemaligen Berufs – hat mir immer mal wieder mit der korrekten Aussprache auf die Sprünge geholfen oder mir unbekannte Worte übersetzt. So weiss ich nun auch, dass stricken ’stickar‘ heisst. ‚Stick‘ ist die Stricknadel – man stricknadelt hier also eigentlich.
Bodil ist überzeugt, dass ich nun in die Schweiz zurückgereist bin. Ich musste ihr jedoch versprechen, dass ich wiederkomme, wenn ich wieder hier bin. Ich hoffe fest, dass es mich bald wieder dorthin verschlägt!
Ich geniesse diese Zeit gerade sehr. Sicher auch, weil ich weiss, dass dies kein Dauerzustand ist: ab Montag darf ich in Höganäs wieder in die Sprachschule und ab Februar arbeite ich wieder ein paar Tage in Klåveröd. Und es könnte sein, dass bald noch mehr Arbeit dazukommt.
Danke für die munteren Infos aus der Kälte mit den tollen Bildern. Die Lektüre war wie immer eine Wonne. Herzliche Grüsse Margaritha
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